Stoffwindeln, oder: Hoffentlich kommt kein Besuch

Veröffentlicht von leitmedium am

»eBay Kleinanzeigen hat einfach unser Angebot zum Verkauf der Stoffwindeln gelöscht und irgendwas von Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen geschrieben!«, schreibt sie mir empört. Nie nie nie wieder wird uns jemand zu Hause besuchen, denke ich. Diese Windeln sind wie ein verwunschener Gegenstand aus einem Rollenspiel: Sind sie einmal in Deinem Besitz, wirst Du sie nicht mehr los. Und dann beginnen sie, Dich ganz subtil und über Bande sozial zu isolieren.

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Doch einen Schritt zurück: Stoffwindeln sehen heute nicht mehr aus wie früher. Ich erinnere mich noch daran, wie ich vor knapp 30 Jahren meinen Bruder in weißen Stoffbahnen wickelte und die Windeln regelmäßig in einem großen Topf ausgekocht wurden. Das war letztes Jahrtausend und fühlte sich auch so an. Schon damals. Heute sind Stoffwindeln technologisch nahe am iPhone und es gibt viele Argumente für sie: Kostenersparnis, Umweltschutz, weniger logistischer Aufwand beim Einkauf, Kinder werden früher trocken, weniger allergische Reaktionen und so weiter. Es gibt ein paar Kompromisse, die man eingehen muss, wie einer oft laufenden Waschmaschine und guter Vorausplanung, denn man kann nicht mal schnell in der Drogerie Nachschub holen. Kriegt man alles hin und wird höchstens im Urlaub schwierig, wenn es keine Waschmaschine gibt. Doch vor einer Sache hat mich niemand gewarnt und ich schaudere noch immer, wenn ich dieses Wort höre: die Oscar-Tonne.

Eine Oscar-Tonne ist zunächst etwas ganz Unverfängliches: eine Mülltonne, wie sie Oscar aus der Sesamstraße benutzt. So eine (oder ähnliche) Tonne braucht man, um benutzte Windeln vorm Waschen zu sammeln. Windeln rein, Deckel fest drauf, luftdicht verschlossen. Nichts zu riechen. Toll. Doch das ist leider nur die halbe Wahrheit. Denn die Tonne schließt so gut, dass sich in ihr wie in einem Brutkasten über Monate hinweg ein Geruch entwickelt, der kurz vor traumatisierend ist. Ich korrigiere: Er ist traumatisierend. Auch wenn die Tonne leer ist, wohlgemerkt.

Irgendwann bemerkten wir den penetranten Geruch und ich fragte fraumierau ob das jetzt … also… wirklich … noch lange so sein müsse? Sie antwortete, es gäbe da ein tolles Extra-Waschmittel mit irgendwelchen Enzymen für Windeln, das man aus Amerika liefern lassen kann, oder so. Okay. Ich hielt mich zurück, drüber zu diskutieren, ob nicht allein das Vorhandensein dieses Waschmittels und unsere Bereitschaft, es zu bestellen uns zu denken geben sollte. Stoffwindeln wurden hier nicht zur Diskussion gestellt.

Das Waschmittel kam irgendwann und war so teuer, dass wir es wie eine Art Heiligtum einsetzten. Die Oscar-Tonne interessierte das überhaupt nicht. Die Windeln waren ja auch nicht das Problem. Statt dessen entwickelte sich die Tonne zunehmend zu einem little shop of horrors und ich hatte Angst, sie nur aufzumachen, weil es streng nach Nitrat (Nitrit? Keine Ahnung.) roch. Wenn wir Freunde einluden, was wir in Hinblick auf die Tonne erfreulich selten taten, wurde die Tonne eine Woche lang gereinigt, desinfiziert und dann auf den Balkon verfrachtet. Sollte sich mal ein Paket-Lieferant wirklich in unsere Etage verirrt haben, wurde vorher die Bad-Tür mit Klebeband versiegelt.

Nun war das Kapitel endlich vorbei, dachte ich. Wir hatten zwei Kinder, fraumierau beendete die Gedanken an ein drittes Kind mit einem wundervollen Tattoo und es war nur eine Frage der Zeit, bis wir die Windeln endlich weiterverkauften. Doch dann meldete sich unverhofft Kind drei an. Noch sah ich eine Chance, das Thema Stoffwindeln zu umgehen. Aber nachdem sich eBay Kleinanzeigen gegen mich verschworen hat, sehe ich schwarz. Ich hatte kürzlich Geburtstag und habe ihn nicht gefeiert. Ich überlege, ob es keine Feier gab, weil ich keine Freunde habe oder weil ich keine Freunde mehr wegen der Oscar-Tonne habe. Man weiß es nicht genau.

Die Windeln werden wohl bleiben. Und eine neue Oscar-Tonne muss her. Während ich das schreibe, frage ich mich, warum wir eigentlich nicht einfach die Tonne gewechselt habe? Vielleicht war die Lösung zu einfach. Oder wir zu müde.

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Kategorien: Allgemein

leitmedium

Parteiloser Postprivatier.

20 Kommentare

Julia · 17. August 2015 um 12:23

Hihi, schon beruhigend, dass es anderswo die selben Duftprobleme gibt wie hier. Allerdings finde ich den beharrlich anhaftenden Geruch der Wegwerfwindel-Tonne fast schlimmer als den der Stoffi-Tonne… Vielleicht ist das Problem das luftdicht-verschlossen-sein. Unsere Stoffi-Tonne ist nicht luftdicht (diese metalltonne vom Schweden), im Gegensatz zur anderen Tonne, u stinkt deutlich weniger, vielleicht, weil die Windeln trocknen…?
Ist ja evtl ne alternative zur Oskar-Tonne ;-)?
Liebe Grüße
Julia

Christine · 17. August 2015 um 13:01

Wir wickeln seit 5 1/2 Jahren ununterbrochen mittlerweile das 3. Kind mit Stoffwindeln. Wenn man diese luftig aufbewahrt, so dass sie bis zum Waschen trocknen können, stinkt nix! Ich habe dazu zwei Stoffsäcke aus 5 Mullwindeln genäht (Boden und 4 Wände, 4 Schlaufen aus Bändern in die Ecken), den ich einfach mitwasche. Früher hing der an Haken unterm Wickeltisch (der wirklich ein Tisch war) ohne Bodenberührung, heute in einem Stoffsammeldings aus Stoff von IKEA auf Rollen. Eine Lösung aus Wasser und Waschsoda neutralisiert alle Gerüche, sollte der Stoff lang feucht gewesen sein, einfach aufsprühen!

Diana · 17. August 2015 um 13:37

Huhu,
wir lagern die Stoffis auf auf dem Balkon, im offenen Eimer. So müffelt es fast gar nicht. Selbst als es letzte Woche so heiß war. ich muss aber dazu sagen: spätestens alle zwei Tage wird gewaschen! Und zwar erst die Windeln im 15-Min Schnellwasch-Programm, quasi als „Vorwäsche“ und dann kommen andere Klamotten dazu. Alle paar Wochen mach ich dann nur mal ne 60 Grad Wäsche nur für die Stoffis.

Ich wasche mit enzym-freiem sensitive Waschmittel. Und so klappt das für uns am besten. Stoffis bestens in den Alltag integriert 🙂

selina · 17. August 2015 um 13:40

Also, gegen den (war es nicht Ammoniak?-)Geruch kann ich empfehlen, einfach die Oscar-Tonne mit Essig eurer Wahl auszuwischen. Einfach immer dann, wenn ihr das Bedürfnis danach habt! Da ist der Geruch einfach unglaublich schnell verschwunden und du kannst deine Geburtstagsfeier jederzeit nachholen!
Beste Grüße von einer zufriedenen Stoffwicklerin, deren Mann auch zufriedener Stoffwickler ist. Das ist also nicht nur so ein Frauending, wie das bei dir durchklang… 😉

    leitmedium · 17. August 2015 um 13:43

    Ich wollte auf keinen Fall sagen, dass das ein Frauending ist. Essig haben wir natürlich genommen, hat aber nicht geholfen. Offenbar ist es wichtig, keine vollständig geschlossene Tonne zu nutzen, wie uns leider mehrfach empfohlen wurde. Die nächste Tonne wird also eher offen.

Annette · 17. August 2015 um 16:37

Ein Wetbag aufhängen und die Windeln rein. Windelflies mit Stinkbomben kommen gleich in den Müll.
Es stinkt nichts und wir haben viel Besuch 😉
LG Annette

Julia von Geliebte Ordnung · 17. August 2015 um 20:53

Bin gerade über deinen Post gestolpert – wir sind gerade beim Stoffwindelexperiment zweiter Tag. Zweites Kind (Pflegebaby Minibub) ist jetzt eine Woche bei uns. Wir sind gerade noch zu gestresst von „Mist, jetzt hat er die letzte vorhandene Nachtwindel vollgek..“. bis „Ist das nicht alles viel zu dick als Paket am Po?“ oder „Schneidet das eigentlich immer so ein am Bein?
Bin gespannt, ob wir durchhalten, bis sich die Stinke-Tonne-Frage stellt.
Herzliche Grüße aus Nürnberg und meine besten Glückwünsche zu Nummer 3-to-be
Julia

    leitmedium · 17. August 2015 um 21:04

    Bis zur Geruchsfrage habt Ihr ja noch lange Zeit. Ich brauchte etwas, um mich dran zu gewöhnen, fand aber – bis auf oben beschriebenes Problem – es schon ziemlich gut alles. Wichtig war für mich nur noch, dass wir einen Wäschetrockner haben, denn mit dem Luft-Trocknen auf dem Ständer wären wir schlicht nicht hinterhergekommen. Viel Erfolg!

Melle · 17. August 2015 um 20:57

Ach, lieber Caspar! Kind 3 wird natürlich windelfrei von Geburt an! Problen gelöst! ?

    leitmedium · 17. August 2015 um 21:04

    Elimination Communication, ja? Ich glaube, da schreibe ich auch mal drüber 🙂

Sören · 17. August 2015 um 22:02

Das Problem mit der Tonne hatten wir ebenso. Wir machen es inzwischen ebenso wie Annette: Große Wetbag (mit Reißverschluss), alle 2-3 Tage waschen. Ich trockne allerdings auf dem Dachboden; unsere Stoffwindelkollektion reicht für einen Wochenbedarf – eines kompletten Kindergartens.

Und wenn ich dann mal mit der Pamperstonne meines Bruders (resp. meiner Nichte) konfrontiert wurde, fand ich unsere schon etwas weniger beunruhigend.

Rike · 18. August 2015 um 19:39

Ich finde es wichtig, dass wir über Kacke reden. Denn die Kacke ist am Dampfen! Überall quasi…
Leider habe ich schlichtweg keine Ahnung von eurer Materie mit der Stoffwindelei (Doch, die Anfänge vonwegen in den Achtzigern das Geschwisterkind in Mullwindeln hüllen zu dürfen – auf der Waschmaschine liegend wohlgemerkt, also das Geschwisterkind – da habe ich wissend genickt.), aber hier bei uns gibts nur Giftmüllabfallplastewindeln. Kommen auch in ne Tonne. Stinkt auch wie die Sau… Wenn du den Deckel lupfst, dann laufen dir automatisch die Tränen. Das selbe Problem also, nur umweltschädlicher. Wir haben als Eltern die Problematik derart gelöst, dass wir den hauseigenen Pupertäter einfach zur Entsorgung der Geschwisterscheiße im Austausch zu Taschengeld und Daddelzeit verdonnert haben. Ha! Erledigt.

PS. Alles Gute zum Geburtstag und heho! Konfetti, Bier, Torte, ein halbes virtuelles Schwein und was du alles brauchst um dich gefeiert zu fühlen. Siemundreissch isn subbor Aldor, Aldor! 😀

Hexchen · 31. August 2015 um 22:49

Moin, wenn ihr noch den 1000 Tip verkraftet.
Google mal DM-Kombi, damit klappt das Waschen bei uns jetzt wunderbar.
Nix stinkt mehr nach dem Waschen und vorher riecht es manchmal nach Meerschweinchen, aber das ist auszuhalten.
Grüße

    Sören · 3. September 2015 um 8:25

    Von der“dm-Kombi“ wird eindeutig abgeraten (z.B. von hug&grow, von der stoffwindelmanufaktur und anderen), weil sie zu agressiv ist und es zahlreiche reklamationen wegen beschädigter windeln und wohl auch roter baby-popos gab.

Elli · 27. Dezember 2015 um 12:00

Huch,

ich nutze probeweise seit knapp 3 Wochen Stoffwindeln, habe gerade 8 Stück ( 6 All In One System) und 2 richtige Schnürwindel mit Mull gestopft und einer Strickhose, 18 Monate altes Kind dafür + warte auf mein zweites.

Ja wie macht Ihr das mit der Kacke? Eines der Gründe war, dass mir diese Tonne mit Kacke und Pippi eines 18 Monate alten Kindes störte bei den Wegwerfwindeln, ist nun mal kein Milchstuhl.

Bei Stoffys bleibt nicht alles immer im Windelvlies. Und bisher handhabe ich es so, ich habe einen Eimer mit Wasser, dorthin schmeise ich die nassen Windeln zum einweichen. Abends kommen alle zusammen in eine Schnellwäsche. Wenn aber Kacke dran ist dann stehe ich da und wasche mit der Hand grob durch bevor auch diese Windel in den Wassereimer kommt. Nun bin ich zwar den Stinkeeimer los, doch finde ich das irgendwie nervig ständig mich um Windeln zu kümmern. Vor allem grauts mir dann wenn Baby 2 da ist, dann mache ich das 5-6 mal…

Schmeisst Ihr alles immer in die Tonne? Egal in welchem Zustand? Mit Kacke ohne? Und dann erst nach 2 Tagen waschen ? Versteh ich das richtig?

    Maria · 5. Juli 2017 um 6:43

    Windel im Klo ausspülen. Hab ich leider zu spät herausgefunden, aber seit dem war Kacke kein Problem mehr. Zum trocknen über den Rand der Windeltonne und einmal die Woche waschen reicht dann locker aus. Ohne Windeln ist dann aber doch noch schöner 😉

Jessica · 6. September 2016 um 13:43

Ich schmunzle, während ich diese Zeilen lese und bin froh, dass die Stoffwindeln bleiben durften! 🙂

Ein Wetbag bzw. Pailliner in der Tonne hätte auch geholfen 😉
Säure hilft übrigens gegen den Ammoniak.
Oder eben eine neue Tonne 😀

Hier stinkt übrigens seit 1,5 Jahren nix.

Iris · 8. November 2016 um 10:06

Wir hatten noch nie so ne Oskar Tonne und mir kommt so ein Bakterien dings auch nicht ins Haus.
Wir wickeln seit Geburt ( bald 2 1/2 jahre ausschliesslich mit stoffis mit versch. Systemen ) und hatten nie probleme miit dem gestanj. Die Gebrauchten Stoffis sind in einer offenen Wäschezeine wo oben offen ist und an allen seiten Luftlöcher haben somit kann die Luft zirkulieren und es stinkt nix.

Tag 8 – Windeln falten | rabensalat · 18. August 2015 um 22:41

[…] herzlich über jenen Artikel geschmunzelt (ich bin Westfale, da kann man herzlich schmunzeln!): vierpluseins – Oskartonne. Bei uns gehts halbwegs geruchsmäßig weil wir ständig waschen. Als das Kind noch nachts […]

#lesenswert ::: Lieblingslinks im Febuar - Stadtmama.at · 1. März 2016 um 7:58

[…] Die Gegendarstellung zu den Vorteilender Stoffwindeln (bzw. deren Ausdünstungen des Windeleimers) findet ihr übrigens in einem schon etwas älteren Beitrag des Hausherren bei Leitmedium. […]

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