Wochenende? War schön! (bis auf Läuse, Hose und Polizei)

Veröffentlicht von leitmedium am

Wochenende. Das Wetter ist so mittelmäßig. Ich beschließe, mit den größeren Kindern ins Büro zu fahren. Da können Sie ein wenig Hörspiele hören und malen, ich etwas lesen und arbeiten und fraumierau hat ein paar Stunden Zeit für sich. Wir gehen runter und finden beim Müll rausbringen ein paar Taschen. Es ist nicht das erste Mal, dass wir von Dieben weggeworfene Taschen finden. Ich bin ein wenig genervt und werfe einen flüchtigen Blick rein. Eine knallgrüne Bong und Klamotten. Ok. Muss ich jetzt die Polizei anrufen? »Ja, Papa, Polizei! Po-Li-Zei!«. Ich erkläre, dass die Polizei, wenn wir sie jetzt anrufen, Stunden brauchen würde und wir könnten es ja auch abends machen. Gemaule. Wir fahren ins Büro.

Es klappt ganz gut. Die Kinder beschäftigen sich und zwischendurch versuchen wir, die Drohne zu reanimieren. Ich hatte sie letzte Woche gekauft und bei ihrem ersten Flug in eine Wasserwanne im Garten stürzen lassen. Kind 1 hat sie noch geistesgegenwärtig mit einem Spaten rausgeholt und es scheint, als würde sie nach dem Trocknen wieder gehen. Bis sie mir gegen die Wand im Büro fliegt und gar nicht mehr abhebt. Die Kinder kichern. Haha.

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Wir fahren heim. Die Kinder bestehen darauf, dass ich jetzt endlich die Polizei anrufe. Ok. Man klingt mäßig interessiert. Ich ahne, dass es Stunden dauern wird, bis sie da sind.

fraumierau hört ihre Mailbox ab (das macht sie einmal alle zehn Jahre) und ist plötzlich aufgeregt. »Vielleicht ist es die Krätze?!«. Äh, was? Seit kurzer Zeit kratzt sich Kind 1 immer am Kopf und auch bei uns anderen juckt es zunehmend. Aber diverse Läuse-Prüfungen, auch durch Schulpersonal, haben nichts ergeben. Gar nichts. Die Kinderärztin hat auf den Anrufbeantworter gesprochen und fern-diagnostiziert, dass es, wenn es keine Läuse seien, eben Krätze sein müsse. Ich sehe mich in einer Quarantäne-Station und Menschen in gelben Biohazard-Anzügen an mir vorbeiziehen. Erstmal Krätze googeln. Ok, stirbt man nicht von, ist aber ziemlich eklig. Nein, das will ich nicht. »Das ist keine Krätze. Ich will, dass es Läuse sind!«

Ich schnappe mir Kind 1, eine extrem starke Taschenlampe und durchforste minutenlang das Haar. Und da. Da ist sie. Die verdammte Laus. Man, sehen die Dinger eklig aus mit ihren kleinen Krabbelbeinen. »Läuse! Es sind Läuse!«. Wir sind alle etwas erleichtert. Alles ist besser Krätze. Äh, was macht man da jetzt? Chemiekeule? Kurze Beratung mit der Peergroup. Eine Aufsprüh-Öl-Lösung wird empfohlen. Nicht so giftig, aber die Läuse ersticken. Ha, haben sie verdient. Ich gehe zur einer nahe gelegenen Notapotheke. Man kann auch mal Glück haben. Es ist schönes Wetter. Wenn mein Kopf jetzt nicht plötzlich so furchtbar jucken würde, wäre alles schön.

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Bei Notfall-Apotheken muss man meistens von der Straße aus durch eine kleine Klappe schreien. »Haben Sie das Läusemittel da?« brülle ich, mitten auf der Warschauer Straße. Menschen ziehen an mir vorbei. Nobody cares. Friedrichshain hat auch seine Vorteile. In der Apotheke hat man nur eine Packung. War ja, klar, dass das hier ausverkauft ist. Friedrichshain hat auch seine Nachteile. Ob das denn für vier Personen reichen würde, frage ich. Jaja, passt schon, meint die Apothekerin. Ich glaube ihr kein Wort. Was mach ich denn jetzt? Genervt suche ich die nächste Notfallapotheke raus, hole mir ein Mietauto und fahre hin. Der Apotheker scherzt in lustig gebrochenem Deutsch „Na… ungebetene Gäste?“ – überzeugt aber mit Großpackungen Läusemittel. Apocalypse Now.

Ich fahre heim. Die Kinder sind aufgeregt, weil die Polizei da war. Sie haben einer Polizistin allein die Fundstelle gezeigt, weil fraumierau gerade am Stillen war. Kurzer vorwurfsvoller Blick von fraumierau, weil ich beim Gehen beide Türschlösser abgeschlossen habe und sie der Polizei erst einmal durch die Tür erklären musste, dass ihr Mann sie offenbar eingesperrt habe. Kommt sehr gut, so eine Geschichte. Und die Taschen? Die Lösung ist etwas deprimierend: »Das sind keine gestohlenen Sachen. Da wohnt jemand«, meinte die Polizistin trocken.. Oh nein. Da wohnt jemand unter der Treppe in einem dunklen, vermüllten Loch, kurz vorm Keller. Sie lassen die Sachen da, damit die Person sie wiederfindet. Immerhin hatten die Kinder ein Erlebnis. Ich weiß gar nicht, wie ich mit der Information umgehen soll.

Ich trage bei allen das Läusemittel auf. 2,5 von 3 Flaschen gehen drauf. Kurze Wut auf die „passt schon“-Apothekerin, die meinte, eine Flasche würde reichen. Die ganze Wohnung ist mit einem Ölfilm überzogen. Mehrfach rutschen wir fast aus. 30 Minuten warten. Auskämmen mit dem Nissenkamm. Kind 1 muss tapfer sein. Dickes, volles Haar. Das dauert und ziept. Dutzende sterbender Läuse landen im Waschbecken. Ich bin in unserer Familie ja für die ekligen Dinge zuständig. Das hier kommt in die Top-10-Liste. Und die hat einige Knaller. Kind 1 quittiert das Ableben der Läuse mit einem gnadenlosen Killerblick. Don’t fuck around with my hair. Bei fraumierau wird es schwieriger. Sie hat zwar dünnere aber deutlich längere Haare. „Schneid sie ab“ sagt sie plötzlich. Okay. Ich schneide auf Schulterlänge ab. Das Kämmen geht viel leichter. »DU HAST MEINE HAARE ABGESCHNITTEN« faucht sie mich an. Ähm, ja? So richtig schlau werde ich nie aus ihr.

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Die großen Kinder schlafen endlich. »Kannst Du kurz das Baby halten?«. Klar. Ich nehme das Baby in den Arm, schaue es elterlich verliebt an und… werde in hohem Bogen vollgekotzt. Die ganze Hose. Meine einzige Hose. Ich warte, bis die Bettwäsche in der Waschmaschine durch ist und packe die Hose rein. Gerade beginnt der Waschgang, da klingelt es. Ich stehe ohne Hose da und starre fraumierau an. Die zuckt mit Baby auf dem Arm mit dem Schultern und legt ihren „das musst Du regeln“-Blick auf.. Verdammt, das ist der Lebensmittel-Bringdienst. Ich öffne die Wohnungstür und stelle mich so dahinter, dass nur mein Kopf rausguckt. »Ja… äh… danke… stellen Sie es einfach vor die Tür«. Umständlich reiche ich Trinkgeld raus und unterzeichne freihändig. Der Liefermann sieht leicht irritiert aus, als er endlich geht. Auch das ist geschafft.

Eigentlich wollten wir heute Abend Serien gucken und Chips essen. Jetzt fallen wir mit Läusemittel im Haar ins abgezogene Bett. Wenn mich am Montag jemand fragt, wie das Wochenende war – was sage ich dann? Nun, wir haben es gemeistert.

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Kategorien: Allgemein

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Parteiloser Postprivatier.

11 Kommentare

Julia · 21. Mai 2016 um 14:15

Das ist doch wie in dieser einen Simpsons-Folge, als Homer und Marge einen halben Tag nicht da sind und die Kinder haben Läuse und müssen aus irgendeinem Grund Kartoffelsäcke Trage und irgendwer verliert einen Zahn und dann kommt zufällig das Jugendamt. Oder so.

Sabrina · 5. Juni 2016 um 21:35

So lustig. Ich schmeiß mich weg vor lachen. Kaum zu glauben, dass fraumierau und du das gleiche Wochenende hattet. Ich freu mich immer richtig, wenn hier auch mal wieder ein Artikel aus eurer Familie aus deiner Sicht erscheint. 🙂
LG Sabrina

Dieverlorenenschuhe · 6. Juni 2016 um 2:53

Ich überlege gerade, ob wir nicht alle eine Kleinigkeit spenden sollten, denn: selbst ein Mann braucht doch eine ZWEITE Hose zum Wechseln ;).

Jana · 3. November 2016 um 10:05

Ist ja echt schon ne Weile her, aber ich muss immernoch lachen :‘)

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postfaktische Nasenspray-Diskussionen, Laserschwert-Laternen und Plastiklöffel-Globuli - vier plus eins · 21. November 2016 um 22:17

[…] Artikel mehr über Schulpflicht zu veröffentlichen. Hatte ich schon über Läuse geschrieben? Ach ja, hier. Jedenfalls rotieren wir gerade alle Krankheiten der Saison durch. Ich denke bis Ende November […]

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