Knisternder Saft, Schummel-Lebkuchen und unerklärliche Baby-Pflanzenwut

Veröffentlicht von leitmedium am

»Papa, der Saft knistert«. Was kann er nur damit meinen, denke ich. Wir haben gerade Knisterschokolade zu Hause: rosa-weiß (wenn Schokolade weiß ist, muss man sie eigentlich „Schokolade“ nennen) und alle lieben es, sie im Mund ein wenig knistern zu lassen. Außer ich, weil Kinstern ist zwar toll, aber weiße „Schokolade“ eine Zumutung. Ich wollte statt dessen Dunkle für den Adventskalender bestellen. Die gab es mal zu Ostern als Kugeln, gibt es aber nicht mehr – außer im Ausland. Jetzt musste ich sie importieren. Das ist ja auch ein bisschen irre. Wobei Importieren heißt ja auch nur auf „Bestellen“ klicken heutzutage. Jedenfalls ist die dunkle Kinsterschokolade jetzt da. Gut, dass die Kinder das hier nicht lesen können. Ist ja schließlich eine Überraschung. Die kinsternden Kugeln liegen jetzt oben offen auf dem Regal. Groß sein hat auch Vorteile. In ein paar Jahren geht das Versteck nicht mehr. [Natürlich musste ich 12 Stunden nach Schreiben des Artikels feststellen, dass es dunkle Knisterschokolade jetzt ganz normal im Laden gibt. Hat man davon, wenn man mal was rechtzeitig machen will.]

Aber wie knistert Saft, denke ich. Ich probiere und merke: Er ist vergoren. Knistern. Wie drollig. Das hat er von seiner Mutter, denke ich. Vor ein paar Jahren war ich mit ihr spazieren. Voll romantisch haben wir uns beim Bäcker im Supermarkt Apfeltaschen geholt. Wir gehen so mümmelnd vor uns hin, da fragt sie „Schmeckt Deine auch nach Sekt?“. Sekt? Überlege ich. Sekt? Ich probiere ihre Tasche und sie ist sowas von vergoren, dass man nach einem Bissen leicht angetrunken ist. Die halbe Tasche hatte sie schon tapfer verputzt. Sekt. Sowas.

Trotz Knisterschokolade ist jedenfalls noch nicht ganz Weihnachtszeit. Auch wenn ich schon heimlich im Büro Lebkuchen gegessen habe. Warum machen die in die Packungen immer die mit und ohne Schokoüberzug? Wer will die ohne? Und wer will die gemischt? Das ist wie damals die Lustigen Taschenbücher mit erst Farbe und dann Schwarzweiß abwechselnd. Das habe ich gehasst. Ich habe immer nur die farbigen Seiten gelesen. Deswegen denke ich heute auch manchmal etwas sprunghaft. Mit Kindern und Lebkuchen ist es ja immer so eine Sache. Wenn der Lebkuchen zu sehr nach Lebkuchen schmeckt, kommt er wohl nicht so gut an. Ich hoffe ja drauf, dass wir wieder so ein großes schiefes Haus bauen, über das wir dann alle Kichern und im Sommer 2017 die viel zu harten Lebkuchen essen. In der Bäckerei haben sie mir erzählt, man solle das Lebkuchenhaus dann mit geschnittenem Apfel in eine Mülltüte stecken. Dann werde der Lebkuchen wieder weich. Jetzt muss ich bei Lebkuchenhäusern immer an diese blauen Säcke denken.

Statt Weihnachtszeit war jetzt immerhin schon St. Martinszeit. Eine Upcycling-Laterne habe ich letztens tapfer gebastelt. Jetzt gab es eine kurzfristige Einladung zu einem Umzug an einer Kirche – mit Pferd. Wie kommt so ein Pferd in den Friedrichshain?  Jedenfalls mussten wir nochmal kurzfristig neue Notfall-Laternen bauen. Diesmal aber mit Kerzen statt Strom. Das fand ich ein bisschen toll. Bis auf die Stanzer, die ich immer bedienen musste. Die sind nämlich stumpf und ich sah ziemlich blöd aus beim Ausstanzen der Schmetterlinge. „Papa. Mama hat das geschafft!“. Na toll. Aber die Laternen sind hübsch geworden (Bis auf die Schmetterlinge. Schmetterlinge im Spätherbst – das soll mir mal einer erklären. War kein Wunder, dass das nicht gut ging.) Auf dem Weg zum Umzug gab es dann Diskussionen wegen dem Wetter und überhaupt. Also bin ich nur mit dem Sohn hin. Es war dort ein bisschen merkwürdig, weil die Blockflötenspielerin an der Kirche, die kannte ich. Aber sie tat so, als kenne sie mich nicht. Passte nicht gut zu St. Martin.

Dafür flippte der Sohn aus, dass er Hunger hätte. Das passte gut zu St. Martin wegen dem Teilen. Viele hatten Tupperdosen mit Martinshörnchen bei. Das Ritual hatte ich schon ganz vergessen. Es war nur allgemein irritierend, genau hier „ICH HABE HUNGER!!!“ zu rufen – und dann nichts anzunehmen, weil von Fremden nimmt man ja nichts an. Also musste ich den Sohn vermitteln. Hier, ich nehme das für Dich und gebe es Dir, ja? Ja. Zwischendurch gab es leicht panische Reaktion auf unsere Laterne. „DAS IST JA EINE ECHTE LATERNE!“ – Menschen machten großen Bogen herum. Ich wusste nicht, dass ein Teelicht mittlerweile als menschengefährdende Feuerquelle eingestuft wird. Für mich sind die Elektro-Laternen noch immer das, wie es früher nicht war. Ich alter Mann.

Es ist irgendwie merkwürdig, eine Kirche zu besuchen. Ich hatte neun Jahre Konfirmationsunterricht, um dann zu entscheiden, dass ich daran wirklich nicht glaube. Was bleibt, ist so ein freundlich-distanziertes Zugehörigkeitsgefühl. Und die Erinnerung an Martinshörnchen.

Natürlich war ich so schlau, mich falsch anzuziehen. Eine Winterjacke – wer braucht schon sowas bei null Grad? Zu Hause hatte ich dann heimlich Schüttelfrost im Bad. Vor den Kindern ging das nicht. Sonst denken die noch, draußen sei es doof. Wir betonen ja immer, dass jedes Wetter schön ist. Ein Kind hat immer noch ein Trauma von einem mütterlichen Schüttelfrost. Wurde jahrelang nachgespielt. Wirklich.

Was ich gerade nicht verstehe, ist die Pflanzenwut vom Babysohn. Sobald er etwas Grünes sieht, krabbelt er hin und ZERREISST ES IN TAUSEND STÜCKE. Kommst Du nach Hause, schließt die Tür auf, sitzt so ein Drops im Flur und zerlegt gerade anmutig eine teure Pflanze. Ok, sie ist auch ein bisschen hässlich, aber sie war doch für die Luft. Ich hatte letztens so eine Macke, dass wir zu wenig Luft hätten und im Internet stand, welche Pflanzen man sich kaufen muss, damit man die Fenster nie wieder öffnen braucht. Das wissen die natürlich im Pflanzenladen und machen alles drei Mal so teuer. Nur der Babysohn, der weiß nicht, dass das unsere Vorbereitung für die Postapokalypse war, und hat die Pflanze geschreddert. Aber süß sah er dabei aus. Nein, nicht die Pflanze in den Mund stecken! Im Büro habe ich das Luft-Problem jetzt mit einem Chatroboter gelöst.

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Mit IKEA habe ich endlich geskyped. Es war dann doch ein wenig schwierig, weil, es war gar kein Skype-Skype, sondern so ein Business-Ding zum extra Installieren. Gleichzeitig telefoniert man. Warum denn, habe ich gefragt. Kann man doch auch über Skype. Nein, so Computerheadsets hätten sie nicht. Nur so Telefone eben. Aha aha. Die Frau war nett und wartete minutenlang, bis ich erfolgreich rumgeklickt hatte. Ja mit Macs, da ginge es mal gut und dann auch mal nicht. Ich kam mir ein bisschen schuldig vor. Kannte sie wohl schon. Dann eine Stunde lang Fragen wie „Besteckkasten aus Plastik oder Bambus? Schubladen 20 Zentimeter?“ beantworten. Puh. Ja. Zwischendurch geht die Tür und der Sohn ruft was von knisterndem Saft. Die IKEA-Frau hat gesagt, wir können auch nochmal telefonieren. Vielleicht hat es ihr ja Spaß gemacht. Jetzt habe ich so ein Bild von der Küche und einen Preis. Aber das mit Weihnachten klappt wohl nicht. Dann ist das Landhaus aber traurig, wenn es dann allein ist. Weil Weihnachten ohne Küche ist ja auch ein wenig traurig.

p.s.: Wie jetzt, Ihr habt die Facebook-Seite vierpluseins noch nicht durchstöbert? Nicht, dass Euch was entgeht!

Kategorien: Montagspost

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Parteiloser Postprivatier.

9 Kommentare

Nanne · 15. November 2016 um 8:01

Ich will die ohne!

Gwen · 15. November 2016 um 10:07

? herrlich 🙂

Anke W. · 15. November 2016 um 13:01

Wie immer klasse Artikel.
Wir scheinen übrigens einen sehr Rückständigen Kindergaten zu haben, da werden noch Laternen mit Kerzen gebastelt 😉

MPia · 15. November 2016 um 13:12

Das mit den LED Laternen war in diesem Jahr auch neu für mich und direkt ein Schock. Hat sich denn jemals irgendwer im Bekanntenkreis mit seiner Laterne angezündet?
Ich hab dann ganz rebellisch ein flackerndes LED Teelicht benutzt um durch den Täuschungseffekt alle zu ärgern.
Ich bekam im Durchschnitt aber weniger Aufmerksamkeit als noch glühende weggeschnippte Zigarettenstummel andere Laterneneltern „Guck mal ein Glühkäfer …“ Gibt es die nicht mittlerweile auch als LED ?! Also die Zigaretten, nicht die Käfer, denn die gibt es glaube ich so gut wie gar nicht mehr, auch nicht als LED Version.

alijenna · 15. November 2016 um 14:09

Wie immer, ein Supi Artikel und so bildlich beschrieben,bald würde ich daneben sitzen und könnte alles beobachten. Das macht Spaß beim Lesen. Also, dieser LED-Trend beim Laternenfest ist totaler Quatsch, auch in den Kitas. Die Kinder sollten auch das Element Feuer kennen lernen dürfen. Vor allem, wie man achtsam damit umgeht, damit das Laternchen nicht abfackelt. Die LED-Laternen werden doch nur durch die Gegend geschleudert. Grüßle und Teelichter an die Macht 🙂

Merle · 15. November 2016 um 15:10

Ich mag deine Artikel! Aber ich mag auch Lebkuchen ohne Schokolade (ich würde sofort die ganze Packung ohne kaufen, wenn es die gäbe). Und Leuchtstäbe für Laternen gab es auch als ich noch klein war schon (und das ist immerhin auch schon 30 Jahre her). Die hatten meistens die Kinder mit den gekauften Laternen. Ich hatte immer Kerzen und selbst gebastelte Laternen und hab die anderen Kinder heimlich beneidet…

tandaradei · 15. November 2016 um 15:19

Abgesehen von den schon genannten Pro-echte-Kerzen-in-Laternen-Argumenten, machen echte Kerzen doch auch ein gaaaaanz anderes Licht! Deshalb bin ich auch ein enthusiastischer Vertreter der Auch-an-den-Weihnachtsbaum-gehören-selbstverständlich-echte-Kerzen-Fraktion! In vielen vielen Jahren ist da bei uns trotz kleinen Kindern, neugierigen Katzen, Papierschmuck am Baum und anderen Risikofaktoren nie was passiert. Und außerdem hasse ich es, Lichterketten entwirren zu müssen…

Heidi · 21. November 2016 um 21:02

Bei denns gibt es Lebkuchen-Packungen mit Schokolade, ohne und gemischt. Ich mag auch lieber die ohne.

postfaktische Nasenspray-Diskussionen, Laserschwert-Laternen und Plastiklöffel-Globuli - vier plus eins · 21. November 2016 um 22:31

[…] Landhaus es gute und schlechte Neuigkeiten. Die schlechten zuerst: Das mit der Küche wird so alles nichts. Die nette Frau von IKEA hat mir geschrieben, dass die Küche dann so 5.500 […]

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