Sauerkraut-Pizzaröllchen, Kindersicherungen und andere Probleme

Veröffentlicht von leitmedium am

(Fast) jeden Montag schreibt @leitmedium seine Gedanken zur letzten Woche mit und ohne Familie.

„Wow, sie hat Pizzaröllchen zum Abendessen gemacht!“, denke ich und beiße genüsslich rein, um sofort zu erstarren. „Äh… das ist ja … Sauerkraut…?“, frage ich diplomatisch. „Ja, toll oder? Ich mache jetzt das Abendessen immer nach Rezept, damit wir abwechslungsreich und vollwertig essen!“. Die Kinder sehen mich hilfesuchend an. „Aha… ja“, antworte ich, „… da war sicher auch gestern das Rezept mit dem Rote Beete Salat drin?“. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. „Ja, genau!“. Ich schleiche unter Vorwand in die Küche und finde so ein Kochbuch für Familien, mit dem offenbar der Klimawandel beendet und der Weltfrieden hergestellt werden sollen. Gerollte Pfannkuchen namens „Elefantenfüße“ gibt es da auch als Rezept. Wer benennt denn bitte Kinderessen nach einem Krankheitssymptom? Mir wird ein wenig blümerant. Ich schiebe das gemeine Kochbuch dezent mit dem Buchrücken voran zwischen zwei eingestaubte Backbücher. Hups! Kann ja mal passieren. „Du, ich finde es ja am schönsten, wenn Du so … vom Herzen intuitiv kochst. Das ist ja auch irgendwie ganz natürlich, oder?“. Ich glaube, das hat funktioniert. War auch eine schlaue Taktik, denn hier liegt gerade ein „Intuitives Stillen“-Buch rum. Das hat ungefähr 10.000 Seiten und auf dem Cover schon den kompletten Spoiler „Dem eigenen Gefühl vertrauen“. „Vertrau doch einfach Deinem Gefühl“, setze ich hinzu und schiebe die im Weltrettungs-Kochbuch genannten Sauerkrautröllchen dezent beiseite. Stattdessen nehme ich mir einen von der Tochter gebackenen Keks. Der Humor drückt sich hier auch in der Keksdekoration aus.

Schimmelception

Apropos eklig: Die Schule hat wieder angefangen und der erste Tag war von viel Schimmel begleitet. Sehr viel. Das hat eine längere Vorgeschichte, die am letzten Schultag vor den Weihnachtsferien beginnt. Es war einer der Morgen, an dem ich vorm Weckerklingeln aufwachte. Es war sechs Uhr irgendwas – musste es ja sein. Ich schaltete den Wecker aus und wunderte mich nur kurz, dass er anging, als ich ihn ausschaltete. Na, egal. Der Rest lief wie am Schnürchen: Aufstehen, Espressomaschine an, Ofen an, Teewasser aufsetzen, Brötchen aufbacken, Kinder wecken und ins Bad scheuchen, Frühstück machen, Frühstücken, Kindern Zähne putzen, Anziehen (Anziehen Anziehen Anziehen) und mit der Tochter los Richtung Schule gehen. Als wir uns in der Tür verabschieden wollen, meint fraumierau „Es ist halb neun und nicht halb acht“. WAS? WIE BITTE? Ungläubig starre ich auf meine Uhr. Tatsächlich. Aber wo ist die Stunde geblieben? Und draußen ist es auch schon so hell. Eine spontane Jetlag-Migräne setzt ein. Wir beschließen, die Tochter zu Hause zu lassen. Am letzten Schultag sind es eh nur drei Stunden, in denen meistens irgendwelche bekloppten Filme geguckt werden. Kann sie auch zu Hause haben.  Abends fällt uns auf, dass wir am Vortag die Brot- und Mittagsdosen in der Schule gelassen haben. In der Regel sind da noch Reste drin. Nun werden Sie knapp zwei Wochen dortbleiben. Ich ahne Schreckliches.

Und tatsächlich. Der erste Schultag nach den Ferien. Als Eltern hat man da ja so gemischte Gefühle. Ich nähere mich jedenfalls dem Schulspind und rieche schon ein paar Meter entfernt eine Mischung aus fauligem Tee und modrigem Irgendwas. Vor der Schule öffne ich mit einem zugekniffenen Auge die Dosen und erfahre, wie perfekt pelzig Onigiris schimmeln, wenn man ihnen nur zwei Wochen Zeit in der Schule lässt. Ich kippe den Bio-Sondermüll in den Mülleimer vor der Schule Ich glaube, die nächsten zwei Tage gab es kurze olfaktorische Irritationen mancher Eltern. Nachdem das Thema Scherben durch einen umfallenden Geschirrspüler letztens durch ist, ist das Thema Schimmel für mich jetzt auch erledigt. Ich habe alles gesehen. Noch schlimmer kann es kaum werden. Hat jemand was Schimmliges? Ich kümmere mich drum.

Die Socken-Akte

Es gibt Neuigkeiten von aus der Akte „Wo sind meine Socken?“. Mir ist ja immer noch nicht klar, wo meine ständig nachgekauften Socken landen. Jetzt habe ich eine heiße Spur. fraumierau bat mich, eine große Ladung Altpapier zum Wertstoffhof zu fahren. Ich schleppe den wirklich großen Karton runter Richtung Auto und überlege, ob er nicht doch in die Altpapiertonne hinterm Haus passt. Also fange ich an, Stück für Stück aus dem Karton zu angeln und wie in einem Tetris-Spiel in die Tonne zu basteln. Als der Karton fast leer ist, erblicke ich auf dessen Boden… ein frisches paar Socken! Ich hatte also den Auftrag, meine in einem Altpapierkarton versteckten Socken zu entsorgen. Wie perfide! Mein Versuch, die Angelegenheit zu klären, wurde zu Hause nur mit einem Achselzucken und einem verdächtig unschuldigen Blick entgegnet. Zum Dank musste ich die Socken sofort abgeben. Es gäbe ja so wenig zu Hause.

Kindersicherungen

Dafür habe ich heimlich ein paar Kindersicherungen entsorgt. Die sind das Einzige, was mich zu Hause um den Verstand bringt. Diese Plastikdinger, die man in Steckdosen schiebt, damit Kinder keinen Schlag bekommen, wenn sie die Finger reinstecken, wurden direkt in der Hölle erfunden. Jedes mal, wenn man da einen Stromkabel reinstecken will, muss man den Stecker 90° verdreht raufdrücken, die Nubbel finden, schwungvoll drehen und hoffen, dass man nicht abrutscht, denn sonst muss nochmal von vorn beginnen. Wenn man das dreimal in Folge machen muss, entwickelt man leichte Hassgefühle. Und wenn man dann richtiges Glück hat, bleibt das Mistding beim Rausziehen am Stecker hängen und man fummelt es ab, um es wieder unbeholfen in die Steckdose zu drücken (und dabei schön mit den Fingern an der Steckdose rumzuhantieren) – natürlich nicht ohne es ab und an falschrum reinzustecken, wobei es sich dann auch noch verkantet und dann ist die Steckdose nicht mehr benutzbar. Falls das jetzt nicht verständlich geschrieben war: So ist es. Genauso schlimm sind die Eckenschützer für Tischkanten. Die fallen ab. Immer. Alle. Und zwar bevor ein Kind dagegen rennt. Zugleich sehen sie aber richtig billig aus, damit man auch permanent das Gefühl hat, in einem Kindergarten zu leben. In einer Firma hatte ich mal einen neuen Kollegen, der morgens von seinen Straßenschuhen in Birkenstock-Schlappen wechselte und dann allen Ernstes die Bürotische mit diesen Kindersicherungen versah, weil „das sei ja schon gefährlich, wenn man da mal schnell um die Ecke gehe“. Vielleicht sollte ich ihm unsere abgefallenen Sicherungen und kaputten Steckdosen zuschicken und ein schönes Leben damit wünschen.

Und da wir gerade bei nervigen Errungenschaften sind: Kann bitte jemand diese Aufkleber auf Obst verbieten? Wenn ich am Wochenende morgens übermüdet Obstteller für Instagram bastle, sterbe ich jedes Mal tausend Tode, wenn ich feststelle, dass ich mal wieder einen Aufkleber übersehen und ihn einfach durchgeschnitten und verarbeitet habe. Im Büro habe ich dazu folgendes Kunstwerk Mahnmal gebastelt:

Forke Show

Letztens gab es einen größeren Disput beim wöchentlichen Fernsehabend. Eines der Kinder wollte „Forke Show“ sehen, das habe es beim besten Freund gegeben. Ich tippe „Forke Show“ in Netflix ein: nichts. Ich spreche „Forke Show“ in Amazons FireTV: nichts. Ich suche in iTunes, per Google, überall: Nichts. Ob das wirklich so heiße? Ja, auf jeden Fall! F O R K E   S H O W. Nichts. Doch! Nein. DOCH! Aber es gäbe nichts. Doch! Ich solle halt suchen! JETZT SOFORT MUSS FORKE SHOW HER. Ich blättere stundenlang durch irgendwelche Kataloge und plötzlich heißt es „Da ist es doch!“. Nun, die Serie heißt „Paw Patrol“. Mein Hinweis, dass man das anders ausspricht, wurde abgeschmettert. Nein, es heiße Forke Show, das würde man doch wohl hören! Ok. Der Versuch, es übersetzend zu erklären, führte auch zu nichts. Was Serientitel angeht, leben wir hier postfaktisch. Falls Eure Kinder mal Forke Show sehen wollen, wisst Ihr jetzt ja Bescheid.

Kommunikation

Wir hatten ja in Venedig schon mal so ein Kommunikationsproblem, denn dort gab es statt angeblich angekündigten Kamele leider nur Kanäle. Immerhin konnten wir eine falsche Erwartungshaltung diesmal gerade noch so zurechtbiegen: Wir erwarten fürs Landhaus die Lieferung eines Boxspringbetts. Irgendwann platzte ein Kind mit seiner Phantasie raus „Juchhu, dann können wir immer boxen und springen!!!“.

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Kategorien: Montagspost

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Parteiloser Postprivatier.

14 Kommentare

julia · 9. Januar 2017 um 23:30

Das „verhören“ kenne ich auch. Ich zur 3jährigen:“und bestimmt sehen wir auch Möwen.“ Stille
… Kopfnicken. Kurze zeit später, sie zu mir ganz enttäuscht:“wo sind denn nun die Löwen?“

    a. · 13. Januar 2017 um 13:51

    Hier das gleiche im letzten Urlaub

Daniela · 10. Januar 2017 um 8:04

🙂

Made my day, again and again. Danke!

Jana · 10. Januar 2017 um 9:02

Herrlich. Ich musste wieder ganz viel kichern. Vor allem bei den Kindersicherungen. Das mit den Steckdosen ist bei uns nicht so dramatisch, kenne es aber. Die Kantenschützer haben wir weggelassen nachdem sie bei Kind 1 auch ständig abgefallen sind bzw. das Kind den Schutz selbst entfernte. Draußen gibts auch keinen Kantenschutz ^^
Das verschimmelte Essen versetzte mich kurz in meine eigene Schulzeit 😉

Schreib bitte unbedingt ein Buch!

Heike · 10. Januar 2017 um 9:31

Wunderbar, vielen Dank dass Du mir immer wieder den Wochenstart versüßt und zeigst, dass es auch in anderen Familien nicht weniger chaotisch zugeht als bei uns ???

Heike W. aus LIP · 10. Januar 2017 um 10:41

…ja – eine gute Mutter muss eben ab und zu klimakompatible Gesundheitsröllchen aus dem Weltrettungskochbuch backen. Da kann ich mich durchaus mit Frau Mierau identifizieren!

Februarmama · 10. Januar 2017 um 11:59

Jaaaaa die doofen Kindersicherungen – endlich schreibt mal jemand drüber! Bei uns bleiben die auch immer hängen beim rausziehen der Kabel! Und unser Herzchen findet die Schrank / Regalsicherungen super und hat entdeckt dass man, wenn diese offen stehen, man daran ziehend die Türen einfach öffnen kann. Und die über Eck- Sicherungen laden auch wunderbar zum spielen und daran ziehen ein;-)

NavidaMom · 10. Januar 2017 um 20:40

Hat mich wieder voll zum weinen vor lachen gebracht der Artikel. Herrlich ???

ClaSa · 10. Januar 2017 um 21:48

Jetzt muss ich mich mal hier zu Wort melden! Die Berichte sind so göttlich und bringen mich zuverlässig jede Woche zum Weinen vor Lachen. Mein Freund fragt nun schon ob ich wieder den Blog lese, wenn ich wieder kichernd vor dem Handy sitze 😉 Vielen Dank für die lebendigen Erzählungen!

Katrin · 12. Januar 2017 um 9:41

Was musste ich gerade lachen. Mir ging es gestern genau gleich ich musste die Poppet Show oder vielleicht Puppet Show suchen… Ziel war wie bei euch Paw Patrol. ????

MPia · 14. Januar 2017 um 19:32

Ich bin da ganz bei fraumierau 😉 nun verstehe ich aber meinen Mann im Haus besser wenn ich wieder Buchweizenpfannkuchen auf den Tisch stelle.
Pech für ihn – unser 7 Monatsmini kann noch keine Kekse backen.

Katja · 18. Januar 2017 um 8:59

Diese perfiden Obstaufkleber habe ich schon zweimal mitgegessen… Da guckt man nicht schlecht, wenn man sich das letzte Stückchen geschnittenen Apfel nimmt und einen halben Aufkleber darauf sieht. 😀

Eine schöne Woche euch!

P.S. Bitte hör nie auf mit dem Schreiben, ich liebe deinen Schreibstil!

Ein verschwundener Schreibtisch, Laugengebäck, das gute Wasser, böse Plastikflaschen und Muggler - vier plus eins · 16. Januar 2017 um 22:52

[…] langsam bildet sich die Sockenlage ordentlich ab: Entweder landen sie an fraumieraus Füßen, oder sie lässt sie im Altpapier verschwinden oder die Maschine frisst sie. Nachdem ich all dies recherchiert habe, frage ich: Was mache ich mit […]

Über Minimalismus, olfaktorische Halluzinationen, Prepper, ALF und PINs - vier plus eins · 21. März 2017 um 0:22

[…] Trotzen? Weltrettungs-Kochen? Ihr letztes Buchprojekt war so ein Gesundheitskochbuch und hat uns Sauerkraut-Brötchen beschert, gegen die die Kinder erfolgreich eine Gegenrevolution angezettelt haben. Du willst wieder etwas […]

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