Über die Dinkelverschwörung, Apfel-Werkzeuge, Technik-Proteste und Baby Led Weaning

Veröffentlicht von leitmedium am

(Fast) jeden Montag schreibt @leitmedium seine Gedanken zur letzten Woche mit und ohne Familie.

»Möchtest Du auch was?«, fragt sie, während wir beim Bäcker im Bioladen rumstehen und auf die Tochter warten, die gerade Kochzutaten für ein Rezept aus ihrem Kinderkochbuch einkauft. Biobäcker sind ja so eine Sache. Manches sieht ganz unverfänglich aus. Aber wenn man es dann kauft und reinbeißt, spürt man förmlich, wie unheimlich gesund das alles ist. Besonders gesund ist wahrscheinlich Dinkel, denn der muss überall reingekippt werden. Ja, die Möhren-Schnitte ist mit Dinkelvollkornmehl gemacht, heißt es dann stolz. Ich backe ja selber gern. Aber um Dinkel mache ich einen Bogen. Wie auch um Vollkornnudeln. Aber jetzt stehe ich halt hier und bin ratlos.

Tomatenstangen ?

Die Familie entscheidet sich für Tomatenstangen. Ob ich auch eine wolle. Ach, nein danke. Tomatenstangen werden wahrscheinlich so hergestellt: Ein Stück alter Dinkelblätterteig wird mit Tomatencreme bestrichen und in die Fritteuse geworfen und danach für drei Euro das Stück verkauft. Mir ist unklar, wie man dieses pappige Stück Motivationslosigkeit freiwillig essen kann. Da bekomme ich förmlich Lust auf Glutamat. Der Babysohn aber ist hart im Nehmen und kaut genüsslich drauf rum. Bitte, lass ihn mir nichts anbieten, hoffe ich. Umsonst. Eine kleine Faust mit zermatschter Tomatenstange nähert sich meinem Gesicht, während zwei riesige Kulleraugen mich erwartungsvoll anblicken. Leider lernt er gerade Sozialverhalten und jetzt muss ich natürlich ganz gerührt sein, von der leicht angesabberten Tomatenstange abbeißen und mich bedanken. Und weil der Babysohn das so schön fand noch mal. Und noch mal. Und noch mal. Jetzt habe ich doch eine Stange gegessen und mir ist leicht blümerant.

Baby Led Weaning ?

Aber ich bin Härteres gewohnt. Wir machen ja Baby Led Weaning. Das heißt in Kurzform: Man gibt dem Baby, wenn es schon aufrecht sitzen kann und danach verlangt, richtiges Essen und verzichtet darauf, irgendwelche dämlichen Breis (Diese Gläschen mit Fleisch drin – was zur Hölle?!) zu verfüttern und dem Kind löffelweise Essen in den Mund zu diskutieren. Hat natürlich alles seine Vor- und Nachteile. Beim Selber-Essen-Lassen wird dann nämlich in stundenlanger Kleinstarbeit das Essen vom Baby erst untersucht und dann in den Tisch einmassiert, auf den Boden geworfen und in die Haare geschmiert. Bevorzugt in die von anderen Personen. Meistens sieht das Kind nach dem Essen aus wie mit Gesichtsmaske im Schönheitssalon. Vielleicht ist das ja auch das Geheimnis weicher Babyhaut? Ich sollte mir einfach auch mal eine Woche lang das Essen im Gesicht auftragen und dabei fröhlich glucksen. Das hebt bestimmt die Stimmung. Der Haut tut es vielleicht auch gut. fraumierau jedenfalls vermeldet dann immer, das Kind habe doch wieder sehr gut „gegessen“. Fußboden, Tisch und Gesicht sagen etwas anderes.

Der Babysohn hat „gegessen“

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Neben dem selbstbestimmten Essen fängt der Babysohn übrigens gerade mit Stehen und Laufen an. Und wenn hier auch meistens lustig geschrieben wird, ein kurzes: Awwwww. Dieser Moment, wenn Dein Kind das erste Mal auf seinen wackeligen Beinchen steht und danach erschöpft zu Boden sinkt. Groß werden ist anstrengend und so ergreifend anzuschauen.

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Aber zurück zum Text. Essen war diese Woche irgendwie Thema. Auch an Stellen, an denen ich es nicht erwartet hatte. Im Netz las ich irgendwo, dass man, wenn man Menschen nach ein paar Rechenaufgaben nach einem Werkzeug und einer Farbe fragt, sie meistens „Hammer“ und „Rot“ antworten. Wollte ich natürlich mit fraumierau probieren. Also stimmte ich sie mit ein paar Rechenaufgaben ein, um dann plötzlich zu unterbrechen mit „Nenn mir ein Werkzeug, schnell!“. Wie aus der Pistole geschossenen antwortet sie „Äh………… APFEL!“. Ja, sie hat APFEL gesagt. Jetzt ist sie leicht verunsichert, was es über sie aussagt und ich habe endlich eine Anekdote, die sehr viel über uns aussagt.

Frühstück geht auch nach acht?

Vielleicht lag es ja daran, dass es einer dieser Tage war, an denen wir mal wieder viel zu wenig geschlafen hatten. Es war Sonntag und die Kinder tobten seit halb sieben durch die Wohnung. Als wir gegen halb acht frühstücken wollten, ermahnte ich mal wieder, doch bitte auf die Nachbarn Rücksicht zu nehmen, weil die ja noch schliefen. Ja, aber da würden sie doch das Frühstück verschlafen, entgegnete der große Sohn völlig entgeistert. Es war nicht ganz zu vermitteln, dass es Menschen gibt, die am Wochenende auch mal bis zehn Uhr schlafen und dennoch frühstücken.

Wegzehrung

Auch ums Essen ging es beim Heimweg der Tochter. Manchmal kommt sie von ihrer Freundin, die nur ein paar Häuser weiter wohnt, allein nach Hause. Sie habe da jetzt festgestellt, dass es praktisch sei, sich unterwegs etwas beim Bäcker zu kaufen. Sie hätte das mal überschlagen und sei zu dem Schluss gekommen, dass sie eigentlich nur 50 Euro bräuchte, wenn sie allein nach Hause komme. Das sind Momente, in denen man sich das Lachen verkneifen muss, damit das Kind nicht beschämt ist. Wahrscheinlich hat sie einfach  schon die Apotheken-Preise der Biobäckereien durchschaut.

Technik-Widerstand

Ansonsten habe ich diese Woche versucht, mit Samthandschuhen die Zukunft zu Hause einzuführen: Ich habe so eine Amazon-Sprachsteuerung, genannt „Alexa“, angeschafft. Nun muss man sagen, dass fraumierau zwar mit Iphone, Macbook, Blogs, Gmail, Wlan, Bluetooth und überhaupt jedem digital Zeug ausgestattet ist, aber sobald es etwas Neues gibt, muss Sie erstmal die Ludditin spielen und fragen, ob das jetzt nicht doch ungesund sei. Eigentlich hat sie ja auch eine Apple Watch, die sie aber wegen der Strahlung wieder in die Schublade verbannte. Nun zog ich mich also mit Alexa zurück, richtete das Gerät ein und wollte es fraumierau vorstellen. Warum ich denn so einen so tiefgreifenden Einschnitte in die Wohnung nicht vorher bespreche (Vorher besprechen geht nicht, weil meine Vorabankündigungen werden immer ignoriert). Und warum denn dieser digitale Diener mal wieder weiblich sein müsse, hmm? Und warum „Alexa“? Warum? (Ich glaube, sie kreidet mir an, dass eine Exfreundin ähnlich hieß).  Jedenfalls versicherte ich ihr, dass das alles entspannt sei und das Gerät auch nur mit der Arbeit beginne, wenn man Alexa sage und sich deswegen niemand ungewollt erschreckt. Leider hörte Alexa genau in diesem Augenblick mein vermeintliches Kommando aus dem Nebenzimmer und blökte, dass sie mich nicht verstanden hätte. fraumierau zeigte nur schweigend auf das Ding. Meine Frage, wohin wir es denn stellen wollten, quittierte sie mit „In den Mülleimer“. Ähnlich der Sohn am nächsten Tag, als ich ihm stolz das Gerät in der Küche vorführen wollte. „Sag mal was zu Echo!“ (man kann Gottseidank den Namen ändern). Sohn, trocken: „Echo, SPRING!“. Ich erkundigte mich, ob er gerade versucht habe, Alexa, also Echo, vom Tisch zu stürzen. Er verließ pfiffelnd den Raum. Ich bin hier von Maschinenstürmern umgeben.

Das reicht auch für heute. Gerade musste ich mich nämlich noch über den WDR aufregen. Beim nächsten Mal erzähle ich Euch vielleicht, wie das so mit dem Verstecken-Spielen bei uns läuft. Wie das mit dem Sex und dem Familienbett läuft, könnt Ihr solange hier nachlesen.

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6 Kommentare

Nils · 31. Januar 2017 um 8:44

Ich muss zugeben, der Echo hat mich auch sehr in den Fingern gejuckt. Allein der Ausblick auf „Hey Alexa mach es mir im Wohnzimmer so richtig heiß“, wäre es mir fast wert gewesen. Aber der WAF – „Wife Acceptance Factor“ war einfach zu gering.

Fränzi27 · 31. Januar 2017 um 12:21

Ich habe mal Kaffee, der aus Lupinen hergestellt wurde,getrunken… unnötig zu erwähnen, dass es ein Bioladen war, oder? Keine schöne Erfahrung als absolute Kaffeetante…

Christian · 31. Januar 2017 um 16:35

Im Duden steht als Erklärung für Werkzeug:
für bestimmte Zwecke geformter Gegenstand, mit dessen Hilfe etwas [handwerklich] bearbeitet oder hergestellt wird
Ich würde sagen, die Schlange im Paradies hat Eva mit dem Apfel bearbeitet.
Deine Frau liegt also nicht ganz daneben.
Wenn Sie sich das lange genug einredet, glaubt Sie vielleicht daran 😉

Heike W. aus LIP · 4. Februar 2017 um 11:41

Unser liebes Kleinkind (19 Monate alt) fällt auch jetzt noch manchmal in den „Baby Led Weaning“ – Modus und knetet und schleudert mit Begeisterung und Hingabe einen Großteil seiner Nahrung, statt sie zu sich zu nehmen. Als sehr nützlich erweist sich da unser Hund, der zuverlässig den Boden bzw.. das ganze Zimmer von den „Speiseklumpen“ befreit.

Seb · 7. Februar 2017 um 18:14

Danke für die tolle BLW Definition, das macht das erklären ungemein einfacher!

Über die Weizenverschwörung, einen schiefen Haussegen, Muttertag, Bücherschreiben und Hundeleinen für Kinder - vier plus eins · 16. Mai 2017 um 23:57

[…] der Zucker-Verschwörung. Mir ist unklar, ob man jetzt den Weizen-Vorgänger Dinkel nehmen darf (den liebe ich ja ganz besonders), oder nur noch Essen, das es vor dem Urknall gab. In dem einen Café, in dem wir manchmal […]

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